Fahnenweihe der Burschen-Gesellschaft Gebstedt

1920 ist noch ein Burschen-Verein Gebstedt zu Pfingsten belegt. Drei Jahre später hatte Gebstedt mit seinen ca. 300 Einwohnern nicht nur eine Burschenschaft, sondern gleich zwei. Die eine war der Burschen-Verein „Einigkeit“, der seinen Sitz in der ehemaligen Schrimpfschen Wirtschaft „Deutsches Haus“ hatte. Die Burschen der „Einigkeit“ feierten z.B. bereits am 08. Juli 1923 im Deutschen Haus in Gebstedt ihr 10-jähriges Fahnenjubiläum samt Stiftungsfest[1].

Die Burschen-Gesellschaft Gebstedt wiederum hatte ihren Sitz im Gebstedter Gasthaus „Zur Post“. Am Wochenende vom 01. bis 03. September 1923[2] fand eine dreitägige Feier zur Fahnenweihe der Burschen-Gesellschaft statt. Viele Gäste waren von fern und nah eingeladen. Belegt sind u.a. der Burschenverein Nirmsdorf und eine Vertretung aus Wischroda (bei Kölleda)[3]. Erster großer Einsatz der frisch geweihten Fahne war das Kirchweihfest am 04. und 05. November 1923[4] durch die Gebstedter Burschen-Gesellschaft.

Es war wohl auch in den 20er Jahren usus, dass sich Vereine solche Fahnen zulegten, denn alleine im September 1923 fanden Fahnenweihen in Olbersleben beim Turnverein sowie in Thüsdorf beim dortigen Burschenverein statt. Es war aber auch die Zeit, in der die Inflation richtig in Fahrt kam. Ende September 1923 wurde der Preis für ein Brot mit 2,8 Mio. Mark festgesetzt.

Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 begann die staatliche Repression gegen den demokratischen Pluralismus in Deutschland. Rechtliche Grundlage boten die Gleichschaltungsgesetze vom März und April 1933. Zuerst wurden z.B. die Vereine zu einem Bekenntnis zum Führerstaat gedrängt, letztendlich wurden sie aufgelöst und ihr Eigentum konfisziert. Wann dies genau in Gebstedt passiert ist, kann heute nicht mehr genau nachgewiesen werden. Fest steht aber, dass beide Gesellschaften bis spätestens 1935 aus dem gesellschaftlichen Leben des Dorfes verschwunden waren[5].

Nun gab es zur damaligen Zeit einerseits zwar viele aktive Anhänger und Verfechter des Nationalsozialismus, es gab aber auch eine Anzahl mutiger Bürger, die sich dagegen gestellt haben. So ist es dem Mut und der Entschlossenheit vor allem zweier Gebstedter Landwirte, Bruno Fauer und Kurt Hergt, zu verdanken, dass sie u.a. die Fahne der Gebstedter Burschen-Gesellschaft sowie der Gebstedter Schule von 1906 vor dem Zugriff der Nazis geschützt haben. Kurt Hergt versteckte sie in einem Bretterverschlag auf dem Dachboden seines Hofes.

Aber nicht nur vor den Nazis mussten sie vesteckt bleiben, sondern noch weitere 40 Jahre zu DDR-Zeiten. Erst nach dem Fall der Mauer und der Deutschen Einheit wurden beide Fahnen nach fast 60 Jahren wieder in Gebstedt hervorgeholt.

Inzwischen ist zumindest die Fahne der Burschen-Gesellschaft Gebstedts so stark beschädigt, dass dringender Restaurierungsbedarf besteht. Heute kümmert sich der Gebstedter Heimatverein u.a. um diese Hinterlassenschaften. Es ist vorgesehen, am 02.09.2023 das 100jährige Stiftungsfest der Fahne der Burschen-Gesellschaft zu begehen und auch deswegen soll sie wieder hergestellt werden um dann im neuen Glanz zu erstrahlen. Dafür wird der Gebstedter Heimatverein sich nicht nur mit aller Kraft einsetzen, sondern wir werden die Gebstedter und die Freunde von Gebstedt um Mithilfe und finanzielle Unterstützung bitten. Die Wiederherstellung der Fahne wird mehrere Tausend Euro benötigen.

Photoquelle: KA Sömmerda, Signatur (Buttstädter Zeitung, Stadt- und Landbote, vom 31.08.1923)


[1] Quelle: KA Sömmerda, Signatur (Buttstädter Zeitung, Stadt- und Landbote, vom 05.07.1923)

[2] Quelle: KA Sömmerda, Signatur (Buttstädter Zeitung, Stadt- und Landbote, vom 31.08.1923)

[3] Belegt durch Fahnennägel an der Fahnenstange der Gebstedter Burschen-Gesellschaft

[4] Quelle: KA Sömmerda, Signatur (Buttstädter Zeitung, Stadt- und Landbote, vom 03.11.1923)

[5] In „Richters Einwohnerbuch der 26 Amtsgerichtsbezirke“ von Thüringen (4. Ausgabe, 1931, Gebr. Richters Verlagsanstalt, Erfurt) waren für Gebstedt folgende Vereine aufgelistet:
– Krieger- und Militärverein Gebstedt – Ködderitzsch,
– Reifeisenverein
– Kegelklub
– Burschenverein
– Jagdgesellschaft
Im Einwohnerbuch Apolda von 1935 sind für Gebstedt nur noch der Krieger- und Militärverein sowie der Reifeisenverein notiert.